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Wie werde ich Restaurantkritiker?

Lesen Sie auch so gerne Wolfram Siebecks Kolumnen? Amüsieren Sie sich auch so köstlich über einen messerscharfen Verriss, der einem die Tränensäcke ausschüttet wie Frau Holle die Betten? Flüstert Ihnen beim Lesen einer Restaurantkritik auch ein kleiner Mann ins Ohr: „Ach, das hättest Du auch schreiben können!“? Doch wahrscheinlich hat der kleine Mann keine Ahnung. Denn ein ernst zu nehmender Restaurantkritiker zu sein, ist ein hartes Brot.
Wolfram Siebeck ist seit Jahrzehnten der unangefochtene schreibende Richtungskoster der Nation. Er schreit seit vielen Jahren Kolumnen für das ZEIT Magazin sowie Der Feinschmecker und publiziert in regelmäßigen Abständen erfolgreiche und lesenswerte Bücher über das Kochen. Deshalb erhält er auch jede Menge Leserbriefe, in der es nur um eine Frage geht: Wie werde ich so wie Sie? Seine Antwort auf die Frage nach dem Einstieg in diesen Beruf: „Im Lotto gewinnen, mit dem Geld zwei Jahre lang alle bekannten Gourmetrestaurants Europas besuchen. Wenn Ihnen dann Bratkartoffeln immer noch schmecken, noch einmal von vorne anfangen.“ Klingt nicht nach Zuckerschlecken, oder?
Zur Empfehlung des Geschmackspapstes der Republik empfehlen zahlreiche weitere Kritiker: Und dann gleich noch einmal im Lotto gewinnen, um die Zeit zu überbrücken, bis man seine Artikel und Kritiken erfolgreich an Zeitungen, Zeitschriften und Magazine verkauft hat. Denn das Schreiben einer Kritik ist das eine. Das Verkaufen dieses Schriftstücks an das publizierende Gewerbe ist ein ganz anderer Job. Herr Siebeck redet aus eigener Erfahrung: „Eine Restaurantkritik ist ein nicht unerheblicher Zeitaufwand. Vom Teller über den Bauch bis aufs Papier kann einige Zeit vergehen.“ Wie wahr. Und dann kommt für die durchschnittlichen Geschmackspoeten noch erschwerend hinzu, dass sie von der durchschnittlichen Entlohnung für kulinarische Transformationsleistungen den Kühlschrank noch nicht einmal durchschnittlich füllen könnten. Genüsslich lebt es sich nur, wenn man seine Arbeit mit Wolfram Siebeck zeichnet. Zumindest heutzutage. Doch auch er musste zuerst seine Tour du Goût bestehen. Auch wenn er sie in den 60er Jahren unternommen hatte, war sie deswegen nicht weniger kostenintensiv.
Ins Restaurant verschlägt es einen meistens, wenn man Appetit hat. Aber zum Schreiben darüber kommt man weniger durch Zufall als durch Zuneigung zur detaillierten Essensrezeption. Und das braucht Bildung. Bildung im Sinne von Wissen und ständigem Mehrwissen – Fortbildung. Denn ein Kritiker muss sich an die vielen Sinneseindrücke erinnern und sie miteinander vergleichen können. „Man muss sich einfach durchfressen“ sagt der Kritiker Hans-Albert Stechl, der für den Feinschmecker schreibt sowie eigene Kochbücher herausgibt und Dokumentationen entwirft wie die Culinary Chronicle Reihe und Kochkolumnen für die Badische und Basler Zeitung. „Auch ein Theaterkritiker muss erst mal fünf Aufführungen von der Dreigroschenoper gesehen haben, um die sechste ernsthaft kritisieren zu können.“ Erfahrung ist für Stechl der Erfolgsfaktor für einen Kritiker. Er muss seine Erfahrungen vergleichen können, Gutes von Schlechtem unterscheiden und ständig seinen Geschmackssinn fortbilden, Fehler erkennen und Trends erspüren. Kurzum: „Er muss Aufgewärmtes von… (Weiterlesen auf xiiboo)